Kinderfernsehen – selbstgemacht in der Kita

Birke Bull-Bischoff/ Mai 25, 2023/ #Bildung, Ausprobiert, Entdeckungen/ 0Kommentare

Erfahrungen und Einsichten, Rückblicke und Ausblicke:

Die Kinder halten sich (nicht immer) an unsere Themen

Und das ist gut so. Das was Kinder gut finden, das was gerade ihr Thema ist bietet, großartiges Potenzial zum Lernen. Das mögen nicht (immer) unsere vorgegebenen, gedachten, gewünschten Themen sein. Und immer dann, wenn man einen Plan oder einen Pfad hat, auf den man die Kinder locken oder drängen möchte, tun sie doch, was ihnen wichtig ist.

Das geplante Thema „Wir stellen unsere Kita vor“ war für die Kinder nur am Rande wichtig. Sie wollten über anderes erzählen:

  • Was ein Piranha-Fisch ist und was ein Anglerfisch ist…
  • Welche der Figuren bei PJ Mask (Catboy, Eulette, Gecko) sie am meisten mögen…
  • Was Mama und Papa an der Ostsee gemacht haben…Und vieles und  vielfältiges mehr…

Der Blick auf das (zu erwartende, gewünschte) Produkt und der Blick auf den Prozess

Bei dem was wir beobachten an so einem Praxisvormittag, haben wir (alle) das gewünschte Produkt im Kopf – ein Film, der die Eltern überzeugt, der wirbt für unsere Arbeit, der die Außenwirkung der Kita stärkt. Absolut verständlich und legitim. Ein allseits bewundertes Video soll(te) es werden. Das wird es ganz sicher immer noch.

Dennoch ist es wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, den Prozess – den Bildungsprozess – der Kinder in den Blick zu nehmen. Was haben die Kinder dabei  möglicherweise gelernt?

mediale Alphabetisierung: an- und ausschalten der Tablets (Das ist ein mehrdimensionaler Prozess.), die App finden, mit der man filmen kann, oder die mit der man die Videos betrachten kann, wischen („Ich kann schon gut wischen.“)

• Selbstwirksamkeitserfahrung: Wie sehe ich mich? Wie klinge ich? Wie präsentiere ich mich? Wie sieht das anschließend aus? 

• Soziale Kompetenzen:
– Aushandeln von Themen, aushandeln, wer wann dran ist…
– Andere aussprechen lassen oder die Erfahrung, andere fallen mir ins Wort, ich muss lauter sprechen oder mich durchsetzen…
– Wie formuliere ich jetzt das was ich will, wenn mir die Kamera dabei zusieht?
– Wie verhält sich das Publikum?
– Wie verhalte ich mich in der Rolle des Zuschauers? Wie gehe ich mit dem Impuls um, eigentlich selbst was dazu sagen zu wollen? (Vergleichbar mit dem Theater)

  • Was sind ihre Themen? Woran ließe sich bei weiteren Angeboten anknüpfen? Was könnten wir ihnen interessantes anbieten?

Hier waren es vor allem die medialen Helden von Paw Petrol und PJ Maske, die die Kinder bewegt haben.

PS: Das Video für die Eltern wird trotzdem schön. Aber: Es wird nicht den Prozess widerspiegeln, sondern ist halt nur ein Produkt. Aber auch das ist für die Kinder interessant anzusehen.

Vor der Kamera zu sprechen ist nicht das gleiche wie mit den Freunden zu erzählen

Wenn die Kinder ihren Freund*innen oder ihren Erzieher*innen etwas erzählen, dann tun sie das meist frei und ungezwungen. Das Gespräch nimmt im wahrsten Sinne des Wortes seinen Lauf, sie sind kaum zu stoppen.

Wenn sie das vor der Kamera – dem Tablet – tun, dann ändert sich die Situation. Dann kommunizieren sie mit der Kamera. Sie sehen sich dabei selbst – allein das ist eine interessante Erfahrung: Wir sehe ich da aus? Wie klingt meine Stimme? Wie bewege ich mich? Wie funktioniert das alles? Sich dann noch auf das zu konzentrieren, was man eigentlich sagen wollte, ist eine ganz große Herausforderung. Das kann man vielleicht nachvollziehen wenn man sich als Erwachsene vorstellt, man gibt ein Interview vor der Kamera. Das ist vergleichbar dem, was die Kinder empfinden und erfahren. Möglicherweise aber noch nicht reflektieren können.

Die Dinge auf den Punkt zu bringen, vor Publikum, das muss man erstmal lernen. In den Videos der Kinder ist das am meisten zu merken, als sie den Plan hatten, singen zu wollen. Das war dann doch eine Überforderung. Die Lust war da, aber die Situation war zu schwierig. Das kommt vielleicht mit ein bisschen mehr Übung. Dann verlieren sie die Scheu. 

Auch die Quatsch-Phase hat ihre Bedeutung

Welche? Es ist zuallererst ein Zeichen, dass sich Kinder wohl fühlen. Alle, die Quatsch machen, gehören dazu – Zugehörigkeit. Es ist ein Zeichen, dass sie die Scheu vor der Kamera allmählich verlieren. Sie machen Quatsch immer mit Blick auf die Kamera.

Und zuallererst gehört Quatsch-Machen natürlich zum Kind- sein dazu: Freude, Gelöstheit, Wohlbefinden, Ausprobieren.

Wenn Kinder „warm werden“ mit der Kamera

An beiden Tagen war dieser Prozess deutlich zu beobachten. Die Scheu vom Anfang ließ deutlich nach. Gestern legten Toni und Paul dann richtig los und interviewten sich gegenseitig. Heute legte dann Martha richtig los und auch Jonas, als er nicht mehr direkt vor der Kamera saß. Dann kommt der Redefluss zurück. (Was ist ein Piranha-Fisch? Wie ist das mit PJ Masksl? Eulette, Catboy, Gecko – die Lieblingsfiguren…)

Die jüngeren Kinder haben Erstaunliches geleistet.

Max (natürlich anonymisierter Name) hatte es zu Beginn schwer. (Wie alt ist er?) Die Bedienung der Kamera-App (roter Punkt an, roter Punkt aus) hat er wunderbar gemeistert. Ein Gefühl zu entwickeln, wann beginnt der besondere Prozess der Aufnahme, wann ist er zu Ende. Im Fortlaufenden des Prozesses begann er Spaß daran zu finden, auch selbst etwas zu erzählen. Hier war die Rolle des Publikums nicht ganz einfach zu bewältigen, denn er braucht besonderen „Schutz“ und Raum, sich zu äußern. Das hat gut funktioniert.

In der Quatsch-Phase war Raphael dann sehr belustigt, hat herzerfrischend mitgelacht. 

Es gibt auch Zurückhaltung

Maria (natürlich auch anonymisiert) hatte an dem ganzen Prozess nicht so viel Freude – könnte man meinen. Sie möchte das ganze lieber aus „sicherer Entfernung“ beobachten, mag sich nicht so präsentieren oder auf der Bühne agieren. Kann auch gut sein, dass sie nicht so viel Spaß daran hatte, und dass es gar nicht in erster Linie die Zurückhaltung war, die sie etwas in den Hintergrund geraten ließ.

Ich erinnere mich daran, dass sie lieber in Ruhe fotografiert hat. Vielleicht wäre es auch ein Angebot, mal mit dem Tablet zu malen. Das geht mit Fingern und mit dem Stift

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